Grundsätzliches zur Metamerie
Unter dem Begriff der Metamerie werden alle optisch-physikalischen Effekte zusammengefasst, die durch Abweichungen im Farbspektrum zu falschen Farbeindrücken führen – trotz korrektem Weißabgleich. So kann ein und dasselbe Objekt in verschiedenen Situationen in einer anderen Farbe erscheinen, für Fotografinnen und Fotografen ist das manchmal ein ziemliches Problem. In diesem Beitrag werden Sie alle möglichen Arten von metameren Fallen kennenlernen. Beheben lassen diese sich in der Praxis leider nicht immer, aber wenn Sie vor Schwierigkeiten mit der Farbwiedergabe stehen, dann finden Sie doch einige Hinweise auf mögliche Problemquellen und deren Behebung.
Was ist jetzt diese Metamerie? Als einfaches Beispiel nehmen wir eine Lampe, die ihr Licht auf ein farbiges Objekt wirft. Dieses Licht wird von dem Objekt gebrochen und reflektiert, dann von unserem Auge farbig wahrgenommen. Also: Lichtquelle – Objekt – Beobachter. An jedem dieser drei Punkte (und genau genommen auch in der Luft dazwischen) kann ein Metamerie Effekt auftreten.
- Die Lichtquelle kann Lücken im ausgestrahlten Farbspektrum haben. Wenn Sie etwa zu wenig rotes Licht aussendet, dann wird die Farbe des Objektes grüner erscheinen als unter einer Lampe mit vollständigerem Spektrum.
- Das Objekt selbst kann durch eine gekrümmte Oberfläche oder durch eine Oberflächenvergütung wie z.B. Lack die unterschiedlichen Wellenlängen des Lichtes unterschiedlich brechen und reflektieren. Auch hier entstehen wieder Farbverschiebungen, bei denen die Farbe des Objektes anders erscheint.
- Zu guter Letzt dann noch die sogenannte Beobachtermetamerie: sind Sie schon einmal mit geschlossenen Augen in der prallen Sonne gelegen und haben diese nach ein paar Minuten wieder geöffnet? Die Welt erscheint mehr oder weniger monochrom blau.
Metamerie der Beleuchtung trotz Weißabgleich
Dies ist eines der häufigsten Probleme, die uns die Metamerie bereitet – gleichzeitig aber eines, das sich recht gut kontrollieren lässt. Unterschiedliche Lichtquellen (Sonne, LED, Leuchtstoffröhre, Glühlampe, etc.) senden ihr Licht nicht gleichmäßig über das gesamte Spektrum aus. Oft weist das Spektrum einer Lichtquelle eine oder mehrere Lücken auf. In diesen Lücken sind bestimmte Wellenlängen und somit Farben deutlich unterrepräsentiert. Besonders einfach zu zeigen ist dieser Effekt mit Leuchtstoffröhren.
Ein erstes Foto ist mit einer hochwertigen Normlicht-Röhre aufgenommen, die ein dem Tageslicht sehr nahe kommendes Spektrum aussendet und sogar UV-Anteile enthält:
Um die Abweichung möglichst stark herauszuarbeiten, hier die gleiche Aufnahme mit einer billigen Röhre beleuchtet, die ein undefiniertes „Tageslicht“ verspricht:
Der Unterschied wird sofort sichtbar. Obwohl in beiden Fotos der Grauabgleich mit der Graukarte vorgenommen wurde und die Helligkeit genau angepasst, fällt die unterschiedliche Farbwiedergabe auf. Besonders stark wirkt sich das beim blauen und vor allem beim gelben Kegel aus. In diesem Bild habe ich die beiden Aufnahmen zusammengefügt, von uns aus gesehen links das Normlicht, rechts das „Tageslicht“:
Wenn alle Farben auf dieselbe Weise verfälscht wären, dann wäre eine Korrektur recht einfach möglich. Da aber nur bestimmte Farben in den unterschiedlichen Beleuchtungen abweichen, müsste jede einzeln korrigiert werden. Das ginge bei diesem Motiv mit den klar getrennten Farbbereichen sogar auch noch, aber stellen Sie sich die Reproduktion eines van Gogh Gemäldes vor, bei dem unzählige mehrfarbige Pinselstriche ineinander verflochten sind – praktisch unmöglich.
Was hilft gegen die Metamerie der Beleuchtung?
Die Lösung ist also recht einfach: ordentliche Lampen verwenden. Leuchtstoffröhren sind meistens nur in einem Zusammenhang von Fotoreportagen die Hauptlichtquelle, hier ist 100%ige Farbwiedergabe eher nicht notwendig. Für farbkritische Fotografien empfehlen sich halbwegs ordentliche Blitzgeräte oder ein neutrales Tageslicht, natürlich nicht zu Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang.
Es kann in Ihrer Arbeitsumgebung unmöglich sein, Blitzgeräte zu verwenden oder das Tageslicht ganz auszublenden (dieser Artikel könnte ja auch andere Berufsgruppen als FotografInnen ansprechen). Dann empfehle ich die Verwendung von hochwertigen LED-Panelen oder eben der genannten Normlichtröhren. Beide sind kostengünstige Alternativen zu einem Blitzsystem.
objektabhängige Effekte der Metamerie
Damit die Testobjekte ein wenig schöner ausgeleuchtet sind, habe ich von der Leuchtstoffröhre zu einem Blitz mit Softbox gewechselt. Dies erfordet natürlich einen neuen Weißabgleich, aber siehe da, wie versprochen entspricht der Farbeindruck der Aufnahme mit Normlicht. Profoto sei Dank!
Der hier auftretende Metamerie-Effekt ist einerseits kaum behebbar, andererseits aber nicht so auffällig und störend. Sie fragen sich, wo überhaupt das Problem bei dieser Aufnahme liegt? Die gelbe Farbe wird in den schattigeren Bereichen deutlich orangener. Dies liegt nicht daran, dass es dort einfach dunkler wird, sondern daran, dass die Lichtstrahlen in einem anderen Winkel einfallen und zurückgeworfen werden. Das gute dabei ist, dass wir in unserem Alltag, egal ob in Tages- oder Kunstlicht ständig mit diesem Effekt, der auch „Geometriemetamerie“ genannt wird, konfrontiert sind. Unser Sehapparat und Gehirn sind damit bestens vertraut und wir können dem Objekt die richtige Farbe zuordnen.
Was tun gegen diesen Effekt?
Gar nichts. Wie schon geschrieben, kann unser Gehirn bestens damit umgehen. Wie sollte das Problem der unterschiedlichen Ein- und Ausfallswinkel auch behoben werden? Durch einen der Kegeloberfläche genau angepassten 3D-Ringblitz? In diesem Fall wäre die Farbe perfekt gleichmäßig. Aber das Objekt ist dann ein komplett flacher Scherenschnitt ohne jegliche Räumlichkeit.
weitere Erscheinungsformen der objektabhängigen Metamerie
Der besprochene Effekt kann sogar gewünscht sein, so wie bei diesem Muster eines Metallic-Lackes:
Hier werden die Metallpartikel und die Oberflächenlackierung bewusst eingesetzt um eine changierende Farbe und eine metallisch wirkende Obefläche zu simulieren (unter dem Lack ist eine Holzplatte). Eine extreme Anwendung dieser Effekthascherei wäre der „Perlmutteffekt“ bei Autolacken, welcher in der Natur ganz ohne menschliches Zutun vorkommt.
Metamerie des Betrachters und der Weißabgleich des Auges
Am Ende des Weges, den die Lichtstrahlen genommen haben, wird es nochmals spannend. In unserem Auge, auf der Netzhaut, sitzen ca. 6 Milllionen lichtempfindliche Zapfen, die uns farbig sehen lassen. Es gibt 3 Arten dieser Zapfen, die jeweils für einen bestimmten Wellenlängenbereich zuständig sind. Wellenlängenbereiche, Lücken im Spektrum, unterschiedliche Reflexion der verschiedenen Wellenlängen? Sie merken schon, was alles passieren kann. In der Praxis sind die Auswirkungen der Tatsache, dass bestimmte Farben von den drei Zapfenarten besser oder schlechter „nachgemischt“ werden können, wieder nicht besonders relevant. Wir kennen es schlicht nicht anders.
die Augen werden müde
Sehr wichtig für unsere Arbeit ist hingegen, dass die Zapfen den Lichtimpuls an unser Nervensystem weitergeben. Und Nerven stumpfen bei Überreizung ab. Dazu ein Beispiel: vergößern Sie das nächste Bild und sehen Sie längere Zeit auf die Schrift. Dann klicken auf das leere Bild danach (mit den Pfeiltasten geht es auch):
Noch während Sie auf die Schrift blicken, werden sie um die Buchstaben herum einen grünen Schleier wahrnehmen, der immer stärker wird. Der lila Farbeindruck der Schrift wird dadurch erzeugt, dass die Zapfen für kürzere Wellenlängen (blau) und die Zapfen für längere Wellen (rot) recht kräftig empfangen und weitersenden. Die entsprechenden Nerven stumpfen ab, werden „müde“ und somit schummeln sich die Informationen der Zapfen für mittlere Wellenlängen (grün) überproportional hinein. Keine Angst, dieser Effekt geht schnell vorbei und der kleine Versuch schadet Ihren Augen nicht. Das passiert alltäglich.
Was tun, um die Augen möglichst neutral sehen zu lassen?
So einfach wie in der digitalen Fotografie geht ein Weißabgleich des Auges nicht, aber die Lösungen liegen eigentlich auf der Hand. Nehmen Sie das Beispiel aus der Einleitung: nachdem Sie längere Zeit mit geschlossenen Augen in der prallen Sonne saßen oder lagen, wird die Welt ganz schön blau. Sie wissen jetzt warum. Aber natürlich würden Sie in dieser Situation nicht auf die Idee kommen, eine Farbe ernsthaft beurteilen zu wollen.
Schauen Sie also, dass ihre Augen nicht durch grelle Farben in der Nähe des zu beurteilenden Objektes abgelenkt werden. Achten sie darauf, dass Ihre Augen schon eine Weile an das vorherrschende Licht (im Idealfall „gute“ Licht, siehe erster Teil) gewöhnt sind.
Auf einen im Alltag sehr hinterhältigen Effekt möchte ich Sie auch noch hinweisen: Sie stellen Ihren Bildschirm idealerweise ungefähr in einem 90° Winkel zum Fenster auf. Man wird nicht geblendet, der Bildschirm spiegelt nicht. Haben Sie an einem schönen, sonnigen Tag schon einmal eine Fotografie mit eher monochromen bis grauen Farben angesehen? Genau angesehen? Könnte es sein, dass der Bildteil auf der Fensterseite gelber, wärmer erscheint? Dies kommt daher, dass das Auge auf der Sonnenseite mehr Tageslicht (im Regelfall blauer, kälter) abbekommt und eben gegen diese kurzen Wellenlängen stärker abstumpft. Drehen Sie das Foto auf dem Bildschirm um 180° und Sie werden feststellen, dass der wärmere Farbeindruck nicht im Bild sondern in Ihren Augen stattfindet. Streng genommen ist das keine Art der Metamerie, in diesem Zusammenhang aber unbedingt zu erwähnen.
Trotzdem ist ein guter Weißabgleich unabdingbar
Wenn Sie nach diesen Überlegungen noch berücksichtigen, dass bei einem Foto das Licht von mehreren Quellen direkt und indirekt auf das Objekt gelangt und dann noch durch ein Objektiv mit mehreren Linsen und Vergütungen auf den Sensor oder in das Auge gelangen muss, dann können Sie sich jetzt gut vorstellen, wie unlösbar komplex die ganze Gleichung schnell werden kann.
Dennoch wollen wir nicht verzweifeln und unser bestes für eine korrekte Farbwiedergabe tun. Es haben also die Lichtquelle und die Ein- und Ausfallswinkel der Lichtstrahlen einen Einfluss – so werden wir den Weißabgleich an einer Stelle wählen, die möglichst von der Hauptlichtquelle beleuchtet wird. Und die Graukarte oder Weißkarte so positionieren, dass sie sich nicht in einem unnatürlichen Winkel zwischen Licht und Kamera befindet. Außerdem ist es wichtig, dass in unserem Versuchaufbau keiner der Kegel seine Farbe auf die Graukarte wirft. Wenn Sie genau hinsehen, ist der graue Hintergrundkarton in der Nähe der Kegel entsprechend gefärbt. Dies würde den Weißabgleich stark verfälschen.
Ich hoffe dass ich Ihnen ein paar hilfreiche Einblicke in den Zusammenhang von der Metamerie und Weißabgleich geben konnte.