Mit Smartphones oder Kameras, die auf Belichtungsautomatik eingestellt sind, werden Fotos heutzutage meist richtig belichtet und sind oft auch schön anzusehen. Mit der bewussten Wahl von Zeit und Blende lassen sich jedoch ein paar interessante Effekte erzielen, die die Bildaussage verstärken und das Foto verbessern können. Diese Einstellungen sind bei fast jeder Kamera zugänglich, bei Smartphones ist zumindest die Zeit frei wählbar.

Begriffserklärung der Zeit

Die ZEIT oder BELICHTUNGSZEIT gibt an, wie lange das Aufnahmemedium (Sensor, Film) dem durch das Objektiv einfallenden Licht ausgesetzt wird. Je länger die Zeit, desto heller das Bild. Die Zeit wird in Sekunden, bzw. meist in Bruchteilen von Sekunden angegeben, zB: 1/125, 1/60, 1/2, 1″. Ausgesprochen werden diese Werte als: ein hundertfünfundzwanzigstel, ein sechzigstel, eine Halbe, eine Sekunde. Die Verdoppelung oder Halbierung des Wertes bedeutet eine Aufhellung oder Verdunkelung des Bildes um eine BLENDENSTUFE.

Hier ist auch schon der erste Stolperstein: die Sprünge der Zeit werden ebenso wie die Stufen der Blende als „Blenden“ bezeichnet. Diese Begrifflichkeit kommt wohl aus der Zeit, als die Objektive der Kameras zwar eine Blende hatten, aber die Kameras keinen Verschluss zur Steuerung der Zeit. Sie wurde durch Ab- und Aufsetzen eines Objektivdeckels oder noch lustiger – Vorhalten eines Hutes bestimmt. Das Filmmaterial war so lichtunempfindlich, dass sehr lange Verschlusszeiten notwendig waren. Ein paar Sekunden richtig zu treffen, ist mit dieser Technik gut zu schaffen, ab vielleicht einer halben Sekunde wird es wohl schwierig.

Effekte einer langen Verschlusszeit

Wie schon erklärt, fällt das Licht für die Dauer der (Verschluss-)Zeit auf das Aufnahmemedium. Anders ausgedrückt kommt alles, was während dieser Zeit passiert auf das Foto. Und da ein Foto kein bewegter Film ist, sehen wir bei einer Zeit von einer Sekunde folgendes:

Foto von Innsbruck mit langer Belichtungszeit.

Die unbewegten Objekte werden scharf abgebildet, die bewegten Dinge sind je nach der Art ihrer Bewegung verwischt. So eine Aufnahme ist natürlich nur von einem Stativ möglich, beziehungsweise mit aufgelegter Kamera. Sonst wäre das gesamte Bild heillos verwackelt.

Das führt direkt zur nächsten Möglichkeit, eine lange Verschlusszeit effektvoll einzusezten, nämlich die Bewegung der Kamera. Jetzt wird alles, was sich nicht exakt mit der Kamera mitbewegt, verwischt. Sofort kehren sich die inhaltlichen Ebenen komplett um:

Foto von Innsbruck mit langer Belichtungszeit.

Waren vorher die Stadt und die Berge genau zu erkennen, ist es jetzt nicht mehr auf den ersten Blick möglich, das Bild in Innsbruck zu verorten. Andererseits war es im vorigen Bild nicht möglich, das verwischte Objekt als Bus oder Straßenbahn zu erkennen. Jetzt ist es nur schwer möglich, auf etwas anderes als die Straßenbahn zu schauen. Und ebendies ist ein Beispiel für den bewussten Umgang mit dem fotografischen Werkzeug – der Blick der BetrachterInnen wird gelenkt.

Begriffserklärung der Blende

Die BLENDE ist ein Lamellenkranz im Inneren des Objektives. Er kann ganz geöffnet sein und alles verfügbare Licht durchlassen, oder sehr weit geschlossen und nur noch wenig Licht durchlassen. Die offensichtlichste Auswirkung ist dieselbe wie bei der Zeit: mehr Licht, helleres Foto – weniger Licht, dunkleres Foto. Der Blendenwert wird in Zahlenverhältnissen wie 1:2.8 oder 1:4, 1:5.6 (oder nur 2.8, 4, 5.6) angegeben. Dieses Verhältnis beschreibt, wie groß die Blendenöffnung relativ zur Brennweites des Objektives ist.

Und hier liegt das häufigste Missverständnis in Zusammenhang mit der Blende. Eine größere Zahl (z.B. „Blende 8“) steht für eine kleinere Blende bzw. Blendenöffnung. Weil es sich eben um ein Verhältnis handelt, ist bei 1:8 die Öffnung für das Licht kleiner als bei einem Verhältnis von 1:5.6. Meist wird nur von „Blende 8“ oder „Blende 11“ gesprochen. Wer mit diesen Zahlen nicht so vertraut ist, sollte vielleicht besser die längere Version 1:8 oder 1:11 verwenden. Nachdem der eingangs genannte Lamellenkranz annähernd kreisförmig ist, entspricht ein Schließen der Blende von z.B. 1:8 auf 1:11 einer Halbierung der Öffnung, durch die das Licht kann. Das Foto wird daher um eine BLENDENSTUFE dunkler. Öffnet man die Blende z.B. von 1:5.6 auf 1:4, so verdoppelt sich die Öffnung und das Bild wird um eine BLENDENSTUFE heller.

Effekte von offener und geschlossener Blende

Die interessanteste Auswirkung der Blende ist die Veränderung der TIEFENSCHÄRFE. Je kleiner die BLENDENÖFFNUNG (zur Erinnerung – 1:11 ist kleiner als 1:4), desto mehr Tiefenschärfe besitzt ein Bild. Nah an der Kamera befindliche Dinge werden ebenso scharf abgebildet wie weiter entfernte:

Eine Aufnahme mit weit geschlossener Blende.

Wenn die Bäume gezählt werden sollen, erfüllt obiges Foto seinen Zweck. Für meinen Geschmack ist das Bild aber recht unruhig und der Blick bleibt nirgendwo wirklich haften. Das genaue Gegenteil passiert bei einer Aufnahme mit Blende 1:4. Zugegeben ist die Kamera auch näher an den Grashalmen, was den Effekt der TiefenUNschärfe zusätzlich erhöht:

Eine Aufnahme mit offener geschlossener Blende.

Diese beiden Bilder sind Extrembeispiele, um den Effekt anschaulich zu verdeutlichen. In der Praxis ist der Einsatz der Blende und somit Tiefen(un)schärfe oft subtiler, aber bei großen Abzügen oder Ausschnitten keinesfalls zu unterschätzen. Deshalb zeige ich noch das folgende Bilderpaar:

Eine Aufnahme mit offener geschlossener Blende.
Ein stark abgeblendetes Foto.

Für meinen Geschmack ist das linke Foto mit Blende 1:2 dem rechten Foto mit Blende 1:11 eindeutig vorzuziehen. Der Hintergrund ist wesentlich ruhiger, die Baumstämme im Vordergrund wirken plastischer und der Blick wird wiederum dorthin gelenkt.

Effekt einer kurzen Verschlusszeit

Zum Abschluss nochmals zurück zur Verschlusszeit. Das Verwischen des Motives durch eine lange Zeit wurde eingangs beschrieben, die entgegengesetzte Wirkung tritt bei einer kurzen Verschlusszeit ein. Gerne werden zur Veranschaulichung Wasser oder Fahrzeuge gezeigt, hier versuche ich es mit dem Rauch eines ausgeblasenen Streichholzes. Das linke Foto ist mit 1/250 und einem Elektronenblitz aufgenommen, der Rauch wird regelrecht eingefroren. Das rechte Bild ist mit 1 Sekunde Belichtungszeit und Dauerlicht aufgenommen:

Beispielfoto für kurze Verschlusszeit.
Beispielfoto für lange Verschlusszeit.

Der Unterschied ist sofort sichtbar. Vielleicht wirkt das Foto mit der kurzen Verschlusszeit auf den ersten Blick interessanter. Das rechte, verwischte Bild mag jedoch mehr die Leichtigkeit und Richtung des Lufthauches transportieren. Je nach Verwendungszweck der Aufnahme wäre also der eine oder andere Effekt vorzuziehen.

Und genau darum sollte es in diesem Beitrag gehen: die verschiedenen Auswirkungen von (Verschluss-)Zeit und Blende(nöffnung) zu zeigen, sich der zur Verfügung stehenden Mittel bewusst zu sein und diese zur Unterstreichung der Bildaussage einzusetzen.


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